Das Atmen, das Ein- und Ausatmen, auch das Atmen der Kunst, ihrer Kunst wurde zu einem wesentlichen Topos und der Arbeit Yafeng Duans, und bei genauerer Betrachtung ihrer Biografie sehen wir: schon früh lernte sie in ihrer Familie die Kunst zu atmen. Im Zentrum ihr Vater, dessen Kunst, mit Ausnahme der beschriebenen dunklen Zeit, große Eigenheit und Autonomie zeigt und doch vom Staat in Auftrag gegeben wird. Ein für den westlichen Blick diametraler Widerspruch, der sich für Chinesen aufhebt im Yin und Yang, dem dualen, aus dem Daoismus gewachsenen Prinzip.
Yin und Yang, ursprünglich vermutlich Begriffe für die Dunkelheit am Südufer des Flusses, für einen Schattigen Ort (yin) und konträr das Strahlen der Sonne, die sonnige Anhöhe auf der Südseite der Berge (yang). Yin und Yang ist mehr als das heute im Westen dazu vorhandene Wissen, verkürzt auf die Prinzipien männlich und weiblich und deren Vereinigung zu einem Ganzen.
In der westlichen Kunst bietet vielleicht die Arbeit des nordamerikanischen Komponisten John Cage und seiner aus dem I Ging resultierenden Praxis des Zufalls die beste Annäherung. Das Prinzip Zufall finden wir auch in Yafeng Duans Malerei. Einmal sagte sie mir, das Wichtigste beim Malen sei für sie, den Kopf auszuschalten, sich führen zu lassen. Wie beteiligt sich die Farbe, wie verhalten sich Leinwand und Papier, wohin führt der Pinsel die Hand der Künstlerin?
Leicht und dicht, hell und dunkel, innere und äußere Welt, breiter Pinselduktus und feine Linien in der Tradition der Tuschmalerei, Kampf und Zulassen, massive Flächen und schwebende Farben, das Ein- und Ausatmen des Körpers, Osten und Westen: vielleicht lässt sich bei der Betrachtung dieser Begriffspaare ein Zugang zu Yafeng Duans Malerei schaffen. Vielleicht finden wir die Aufhebung dieser Paarungen im von der Künstlerin gemalten Bild.
Der Kunsthistoriker und Kurator Harald F. Theiss schreibt:
‘Der gleichermaßen vom Zufall und Veränderung bestimmte Malprozess offenbart Räume, die sich als solche erst bei längerer Betrachtung der Bilder im Kopf erschließen. Nicht alle bleiben. Einige verformen sich wieder, verschwinden oder scheinen sich gänzlich aus ihren Grenzen und von den Rändern der „lebendigen“ Leinwände her aufzulösen. In der hinterlassenen Leere wachsen zunehmend atmosphärische Bildräume – verstärkt zu beobachten in der aktuellen Werkgruppe, welche die Künstlerin den sogenannten Hellen Bildern zuordnet.’