MIRRORS. LUZIA SIMONS + STEFAN SEHLER

Ausstellungen wie diese schenken uns oft unbeabsichtigt Geschichten. Der 1909 in São Paulo, Brasilien, als Nachfahre der jüdischen Familie Marx aus Trier geborene Roberto Burle Marx kam mit seinen Eltern 1928/29 nach Berlin. Er trat als Pianist und Sänger in Bars und bei Partys auf, und entdeckte in den Botanischen Gewächshäusern in Berlin-Dahlem die üppige heimische brasilianische Flora. Nach Brasilien zurückgekehrt studierte er Malerei, wurde Maler und Landschaftsarchitekt, arbeitete unter anderen mit Oskar Niemeyer und Le Corbusier. Als Gartenbauer blieb er Autodidakt, eine Tatsache, die es ihm sicher erleichterte, erstmals Gärten zu entwickeln, für die er nur brasilianische Pflanzen benutzte, und die vor allem von keinerlei Anleihen aus der damals gültigen europäischen Gartenbauarchitektur bestimmt waren.
Die in Berlin lebende brasilianische Künstlerin Luzia Simons begab sich 2014 nach ihrer Amazonasreise im Jahr 2012 auf ihre zweite brasilianische Forschungsreise, und besuchte von Marx beeinflusste Gärten, die noch heute wie ein früher Akt globalisierungskritischen Handelns erscheinen. Simons entnahm ihnen zahlreiche Pflanzen wie die Agave, die Monstera, die Begonia, die gute alte deutsche Zimmerpflanze, den Philodendron oder die Aloe Vera. Wunderbare, in Teilen stark stilisierte Scannogramme entstanden. Wie Marx mit seinen Pflanzen großflächige ‚Gemälde‘ schuf, scheint Simons mit den ihren zu zeichnen. Dunkel-grünfarbige Wunder der Schöpfung vor tiefschwarzem Hintergrund, denen das sie schützende Glas eine weitere Dimension eines Blicks in die Tiefe verleiht. Neben Arbeiten aus der hier beschriebenen Werkgruppe ‚Jardim‘ erleben sie in unserer Präsentation auch die ‚Blacklists‘, kleine Formate, in denen seriell aufgereihte Pflanzen zu sehen sind und die an gläserne Schaukästen in Naturkundemuseen erinnern.
Glas spielt eine dominierende Rolle auch in der Malerei des 1958 geborenen, in Berlin lebenden Künstlers Stefan Sehler, der die vom Betrachter abgewandte Seite des Glases als Bildträger nutzt. Und wie Simons mit ihrem Scanner das Bild neu erfindet, erfindet Sehler die seit dem ersten Jahrhundert nach Christus bekannte Glasmalerei neu, denn er verzichtet auf das Licht hinter der dem Farbauftrag. Zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion löst sich die Malerei als sichtbares Medium auf, die Zeitung ‚DIE WELT‘ bezeichnete sie als ‚Trugbilder‘, denn Auge und Hirn begreifen die Ebenen der Bildherstellung nicht. Wir sehen Strukturen, die an Oberflächen von Mars und Mond oder an komplexe Sternebilder erinnern. Gebilde, die an aus Wolken wachsende Berge erinnern, aber keine sind, stilisierte Pflanzen in monochromen Farben, die dreidimensional erscheinen und so z.B. an alte Tapeten erinnern könnten.
Wie Simons den Computer bei der Bearbeitung ihrer Bildvorlagen nutzt, gebraucht ihn Sehler schon in der Komposition seiner Gemälde. Er entwickelt seine Entwürfe digital und setzt sie in Schablonen um, die rückseitig auf die gläsernen Bildträger geklebt werden. In diese wird die Farbe gestrichen, geträufelt und geschüttet; der zufällige Verlauf der Farben wird Teil des Konzepts.
Luzia Simons und Stefan Sehler: wir versprechen eine mehr als spannende Begegnung.

AUSSTELLUNG

07 Nov 2015 bis 28 Jan 2016

 

Di – Fr  12 – 18 Uhr

+ nach Vereinbarung